Erfahrungsbericht: Unsicht-Bar / Dunkelrestaurant Berlin

Ja wo soll ich beginnen? Es war scheiße Dunkel 😉

Vor Rund einem halben Jahr habe ich meiner Frau u.a. diesen Besuch im Dunkelrestaurant zum Geburtstag geschenkt. Letzte Woche war es dann soweit.

Eingangsbereich

Das Restaurant öffnet ab 18 Uhr. Wir haben uns einen Tisch zu 19:15 Uhr bestellt. Dazu sei gesagt. Am Wochenende bedarf es 2 Wochen Vorlaufzeit. Unter der Woche kann man bereits innerhalb von einer Woche einen Termin erhalten.

Wenn man durch die recht unscheinbare Eingangsfront das Restaurant betritt, vermittelt der „Vorraum“ einen das Gefühl, als wenn man sich in einer langen Bar mit wenigen Tischen befindet. Zuerst legt man (natürlich noch im Hellen) selbstständig seine Garderobe ab und wird am Tresen freundlich begrüßt. Anschließend kann man an einem der Tische seinen Speisewunsch und Getränke aufgeben. Dabei habe ich mich für das „Überaschungsmenü“ entschieden. Wenn schon, denn schon 🙂

Nach wenigen Minuten ging es dann auch schon los. Tino, unser blinde Kellner für diesen Abend stellte sich uns vor uns. Dazu gab es dann auch eine kurze Einweisung zum Dunkelrestaurant.

Wenn wir einen Wunsch oder Problem haben, einfach ihn rufen.
Sofern wir auf die Toilette müssen, ihn ebenfalls rufen.
Nicht selbstständig das Restaurant verlassen, es besteht hohe Verletzungsgefahr. Er begleitet uns gerne jederzeit raus. Handy ausschalten – ebenso alles, was leuchten kann: Selbst Armbanduhren, die ein beleuchtetes Display haben.

Nachdem das geklärt war, ging es los. In einer Reihe aufgestellt (Polonaise) haben wir uns auf den Schultern festgehalten und sind Richtung Schleuse.

Die ersten Minuten in der Dunkelheit

Die Schleuse sind nicht 2 Türen, wie ich es mir erst vorgestellt hatte. Sondern ein Zickzack-Weg (ca. 3x je 3m in jede Richtung), um so das Licht komplett draußen zu lassen.

Erst dämmerte es nur, aber jeder weitere Meter wurde es dunkler. Als es plötzlich wirklich schwarz vor den Augen war, war es schon sehr ungewohnt. Meter für Meter sind wir weitergelaufen durch die Schleuse (rechts und wieder links) bis es langsam immer lauter wurde: Wir hatten den Restaurantbereich betreten.

Tino führte uns zielgerecht durch den großen Raum. Rechts und links hörte man Menschen reden und essen – wie in jedem anderen Restaurant auch. Eine sehr ungewohnte, beklemmende Situation, wo wir beide (später erfahren) etwas Panik bekommen hatten. Alles ist schwarz, du bewegst dich und hörst fremde Dinge.

Wer denkt, das nach 5m Schluss war der irrt. Erst nach ca. 20m Weg hatten wir unseren Tisch erreicht. „Hier könnt ihr euch hinsetzen“ Äh – Wo ist der Stuhl?

Tino hat jeden von uns beim Hinsetzen geholfen (wir haben uns extra nebeneinander und nicht gegenüber hingesetzt). Nach dem „Uhr“-Prinzip wurde uns erklärt, wo wir welches Besteck und Getränk finden. Dann ließ er uns kurz allein, um uns den ersten Gang zu servieren.

Inzwischen ging es. Natürlich war man weiterhin irgendwie verwirrt, aber es war spannend und lustig mit dem Tast- und Hörsinn alles andere zu erahnen. Man war schließlich „nur“ in einem Restaurant (ohne Licht). 🙂

Das Essen

Wir hatten uns für das 4 Gängemenü entschieden (Salat, Suppe, Hauptspeise und Nachtisch). Der Salat war noch recht einfach. Bei der Suppe mussten wir beide schon lachen. Denn mir ist die Suppe immer wieder vom Löffel getropft (hört man ja nur). Jedoch wurden die Geschmackssinne hier schon getestet.
Als die Hauptspeise kam, hab ich leider (später erfahren) komplett versagt 😉 Geschmacklich dachte ich war mein „Überaschungsmenü“ wie folgt:
Hühnerbrust (nur etwas trocken), Kartoffeltaler und ein Gemüse (was ich kenne, aber nicht zuordnen konnte).

Auflösung Überraschungsmenü
Nix mit Hühnerbrust.
Es gab Hirschkeule (ohne Knochen), Knödeltaler und geraspelter Kohl 😉

Der Nachtisch war wieder einfacher. Mouse, Eis und Schokolade – lecker!

Inzwischen hat man sich recht gut auf die Dunkelheit eingestellt. Vielleicht auch, weil man nun seit über einer Stunde gemeinsam an einem Tisch saß und sich nicht bewegte. Wer weiß.
Nach fast 1 1/2 Stunden waren wir fertig und Tino hat uns sicher Richtung Ausgang geführt. Auf der Hälfte der Schleuse, kamen uns die ersten Lichtstrahlen entgegen und man verspürte ein sicheres Gefühl – obwohl man ja jederzeit sicher war.

Fazit

Eine unglaubliche Erfahrung. Schwer zu beschreiben. Denn selbst in der Nacht ist man ja immer mit etwas Licht umgeben. Straßenbeleuchtung, Mond, usw. Aber komplett ohne Licht haben sicherlich nur die wenigsten Menschen von uns einmal erlebt.
Wir finden, eine Erfahrung, die man mal gemacht haben sollte. Ob ich es jedoch noch einmal machen würde? Eher nicht. Warum kann ich nicht sagen. Trotzdem kann ich es nur jedem empfehlen.
Es ist schließlich keine Achterbahnfahrt oder so. Sondern man verzichtet bzw konzentriert sich auf alle anderen Sinne.
Besonders schön fanden wir, dass man Blinde in „ihrem“ sicheren Element erleben konnte. Keiner starrt sie an, oder versucht ihnen zu helfen. Hier helfen sie dir 🙂

Fakten zur Unsicht-Bar Berlin

Tino hat sich zum Ende noch kurz mit uns unterhalten, wo wir einige Fakten zum Restaurant erfahren konnten. Das Restaurant hat eine Fläche von 250qm mit 65 Tischen (!), wo zeitgleich ca. 170 Gäste platz haben. Also nichts mit kleiner Imbissbude 😉 Fast alle Kellner sind blind bzw sehbehindert. Kommuniziert wird per Telefon zum Empfang. Irgendwie logisch, man kann ja nicht alle 5min rauslaufen, um nachzufragen. 😉
Wer es einmal erleben möchte, sollte wie bereits gesagt 1-2 Wochen vorher planen.

Wer weitere Fakten haben möchte:
Unsicht-Bar Berlin (gibts auch in Köln und Hamburg)
www.unsicht-bar-berlin.de

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